Atemgating

Beim Atemgating erfolgt die Bestrahlung nur in einer bestimmten Atemposition, um umliegende Organe besser zu schonen. Erfahren Sie hier alles Nähere zur Vorbereitung und Planung, zum Ablauf, zu Risiken und Nebenwirkungen und den Vorteilen dieser Technik.

Auf einen Blick

  • Beim Atemgating wird die Bestrahlung auf eine Atemposition beschränkt, um umliegende Organe zu schonen
  • Wird bei Bestrahlungen im Brust- und Bauchraum angewendet
  • Reduziert Nebenwirkungen und Folgeerkrankungen anderer Organe, ist dafür etwas planungsintensiver und zeitaufwendiger

Hinweis: Die Informationen dieses Fachtextes können und sollen eine ärztliche Meinung nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.

Was bedeutet Atemgating?

Während einer minutenlangen Strahlentherapie bewegen sich die Organe, die nahe am Zwerchfell (Muskel-Sehnenplatte zwischen Brust- und Bauchraum) liegen. Dies geschieht durch die Ein- und Ausatmung. Das hat zur Folge, dass der Bestrahlungsbereich bei Krebserkrankungen im Brustraum oder Oberbauch größer sein muss, um alle Positionen zu erfassen und die Veränderungen durch die Atmung auszugleichen.

Dadurch wird mehr vom benachbarten, gesunden Gewebe bestrahlt. Es wurden daher verschiedene Lösungsmöglichkeiten entwickelt, um dieses Problem zu umgehen: eine davon ist das Atemgating.

Unter Atemgating versteht man, dass die Bewegung des Körpers während der Atmung aufgezeichnet wird, und die Bestrahlung nur in einer definierten Atemphase ausgelöst wird (Gate (engl.) = Schranke, Tor).

Beispiele:

  •  Atemgating bei Brustkrebs: dabei kann z.B. für eine Bestrahlung der weiblichen Brust festgelegt werden, daß die Bestrahlung nur dann erfolgt, wenn die Brust sich einer Position befindet, die durch maximale Einatmung erreicht wird. Das kann durch Luftanhalten willkürlich verlängert werden, der sogenannte „Deep Inspiration Breath Hold“, DIBH. In dieser Position befindet sich das Herz maximal entfernt von der Brustwand, kann also gut geschont werden.
  • Atemgating bei Lungenkrebs: Bei Patienten mit Lungenkrebs oder beweglichen Tumoren im Bauchraum kann mittels 4D-CT (Aufzeichnung eines CTs während aller Atemphasen) die Atembeweglichkeit des Tumors gemessen werden und z. B. nur während der Ausatmung bestrahlt werden, damit der Bestrahlungsbereich möglichst klein bleibt.

Wie erfolgen die Vorbereitung und Planung beim Atemgating?

Um die Bestrahlung mit Atemgating zu planen, ist zunächst die Aufzeichnung der Atmung erforderlich. Dies kann während der (ohnehin notwendigen) Planungs-Computertomographie (Planungs-CT) erfolgen.

Diese Aufzeichnung kann erfolgen mittels:

  • einer Infrarotkamera und einem sog. Detektor- oder Markerblock, der auf dem Oberbauch oder dem Brustkorb mit Klebestreifen befestigt wird. Die Kamera misst die Position des Detektors und damit die Bewegung des Brustkorbes.
  • mittels Oberflächenscanner, der die Bewegung des Brust- und Bauchraumes erfasst.

Gleichzeitig wird die Computertomographie durchgeführt, so dass die Bewegung und Position der Organe oder eines Tumors einer bestimmten Position des Detektors oder bestimmten Messwerten des Oberflächenscanners zugeordnet werden können.

Nun kann die optimale Atemposition für eine Bestrahlung bestimmt werden und ein entsprechender Bestrahlungsplan berechnet werden. In der Regel nimmt dies einige Tage in Anspruch.

Wie läuft eine Bestrahlung mit Atemgating ab?

Atemgating mit Atemkommandos:

Bei der ersten Strahlentherapiesitzung wird erneut mit dem Detektorblock bzw. Oberflächenscanner die Atmung aufgezeichnet. Damit die Bestrahlung freigegeben werden kann, muss der Patient genau die Atemposition haben, für die der Bestrahlungsplan berechnet wurde.

Bei einer Bestrahlung wegen Brustkrebs bedeutet dies in der Regel, dass die Patientin tief einatmen und die Luft anhalten muss, meist für ca. 15-30 Sekunden. Das Kommando zum Einatmen wird über Mikrofon gegeben. In manchen Strahlentherapieeinrichtungen kann die Patientin selbst über einen kleinen Bildschirm oder eine Videobrille die richtige Atemposition kontrollieren.

In manchen Fällen empfehlen die behandelnden Ärzte, das tiefe Einatmen zuhause vorher zu üben. Tatsächlich ist oft zu beobachten, dass die Luft länger angehalten werden kann, wenn man einige Tage zuvor immer wieder in entspannter Rückenlage tief einatmet und langsam bis 30 zählt.

Gut zur wissen: Es ist übrigens kein Problem, wenn ein Patient nicht lang genug die Luft anhalten kann. In diesem Fall unterbricht das Gerät sofort die Bestrahlung und setzt erst dann wieder ein, wenn erneut die korrekte Position erreicht wurde.

Atemgating ohne Atemkommandos:

In anderen Fällen registriert das Gerät die normale Bewegung des Brustkorbes und gibt die Bestrahlung jeweils nur in einer vorher festgelegten Atemlage frei. Dann gibt es keine Atemkommandos, sondern der Patient kann ganz normal atmen, bis die Bestrahlung – mit atembedingten Unterbrechungen - vollständig erfolgt ist.

Erster Bestrahlungstermin:

Die Infrarotkamera kontrolliert während des Aufenthaltes im Bestrahlungsraum fortwährend die Position des Detektorblockes (bzw. ein Oberflächenscanner die Atembewegung), wobei gleichzeitig eine Kontrolle des Bestrahlungsfeldes mittels Röntgenaufnahme oder Computertomographie erfolgt. Dabei bewegt sich das Gerät meist um den Patienten herum, um den Körper aus verschiedenen Richtungen zu erfassen. Eventuell wird die Lage oder die Tischposition noch korrigiert. Erst wenn alle Parameter passen, startet das Gerät die Bestrahlung. Aus diesem Grund kann es sein, dass der Bestrahlungstermin insgesamt etwas länger dauert.

Insgesamt dauert der erste Bestrahlungstermin in der Regel ca. 15 – 25 Minuten. Es ist also ratsam, etwas mehr Zeit einzuplanen. Zwischendurch kann man immer wieder normal durchatmen und sich entspannen. Während des Aufenthaltes im Bestrahlungsraum ist der Patient alleine, wird jedoch stets mittels Kameras überwacht.

Welche Risiken und Nebenwirkungen gibt es?

Es sind keine Risiken und Nebenwirkungen durch das Gating an sich bekannt. Ein Nebeneffekt kann sein, dass der Vorbereitungstermin länger dauert, da zusätzlich zur Computertomographie auch die Atmung aufgezeichnet werden muss. Auch die Bestrahlungstermine dauern in der Regel etwas länger.

Manche Patienten empfinden es als anstrengend, jeweils entsprechend den Atemkommandos tief einatmen zu müssen. Meist funktioniert diese etwas aufwendigere Behandlung jedoch problemlos.

Bei Patienten, die unter COPD (Chronisch Obstruktiver Lungenerkrankung) oder allergischem Asthma leiden, kann es nach Absprache mit ihrem behandelnden Arzt manchmal (z.B. in der Pollenhochsaison) hilfreich sein, kurz vor der Strahlentherapie-Sitzung zu inhalieren, da dann besser durchgeatmet werden kann. Eine Verschlechterung dieser Beschwerden durch die Bestrahlung ist normalerweise nicht zu erwarten.

Achtung: Alle Vorerkrankungen sollten mit den Strahlentherapie-Ärzten besprochen werden, diese werden auf mögliche Risiken hinweisen. Meist gilt, dass eine Bestrahlung mit Atemgating für die Lunge wesentlich günstiger ist als eine Bestrahlung ohne Gating.

Welche Vorteile der atemgesteuerten Strahlentherapie gibt es?

Weniger Belastung für andere Organe: Für die Bestrahlung bei linksseitigem Brustkrebs konnte zum Beispiel in vielen Fällen, insbesondere bei ungünstiger Organlage, eine deutlich geringere Strahlenbelastung von Herz und Lunge erzielt werden, und damit das Risiko für eine Schädigung nochmals deutlich senken.

Spätfolgen vorbeugen: Strahlenbedingte Herzveränderungen, insbesondere Herzkranzgefäßverengungen, machen sich – wenn überhaupt – frühestens nach 8-10 Jahren nach einer Strahlentherapie bemerkbar, so dass vor allem jüngere Patienten von einer Herzschonung durch Atemgating profitieren.

Weniger Nebenwirkungen: auch bei Lungen-, Leber- und Oberbauchtumoren kann die Bestrahlung in festgelegten Atempositionen eine bessere Schonung des unbeteiligten Gewebes ermöglichen und damit geringeres Nebenwirkungsrisiko (z.B. weniger Übelkeit, geringere Wahrscheinlichkeit für eine bestrahlungsbedingte Lungenentzündung), da ohne Gating in der Regel ein größerer Bereich bestrahlt werden muss, um einen Tumor sicher zu erfassen.

 

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Zuletzt geändert am: 03.05.2023
Autor
Expertengremium Strahlentherapie

Hauptautorin: Dr. Sophia Pachmann - Fachärztin für Strahlentherapie und Radioonkologie

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Albers, B. (05.2018) Strahlentherapie bei Brustkrebs schädigt nicht das Herz. In: DEGRO. https://www.degro.org/strahlentherapie-bei-brustkrebs-schaedigt-nicht-das-herz/; Letzter Abruf: 01.06.2021

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Duma, MN., Baumann, R., Budach, W., Dunst, Feyer, J., Fietkau, R. & et al. (18.07.2019) Heart-sparing radiotherapy techniques in breast cancer patients: a recommendation of the breast cancer expert panel of the German society of radiation oncology (DEGRO). In: Strahlentherapie und Onkologie. 195, S.861-871. https://link.springer.com/article/10.1007/s00066-019-01495-w#citeas; Letzter Abruf: 01.06.2021

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