Präzisionsonkologie

Krebs ist nicht gleich Krebs - die Präzisionsonkologie ermöglicht eine maßgeschneiderte Behandlung.

Auf einen Blick

  • Modernes Therapiekonzept zur Behandlung von Krebs
  • Individuelle Behandlung, basierend auf der Genetik des Tumors
  • Einsatz von maßgeschneiderten Medikamenten wird somit möglich
  • Anwendung insbesondere bei Lungenkrebs, Brustkrebs und Gallenwegstumoren
  • Aktuell: Intensive Forschung zur Ausweitung der Anwendungsgebiete

Hinweis: Die Informationen dieses Fachtextes können und sollen eine ärztliche Meinung nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.

Was versteht man unter Präzisionsonkologie?

In der Präzisionsonkologie (auch personalisierte Onkologie) steht das Verständnis der Ursachen von Krebserkrankungen und deren Behandlung durch Therapien, die zielgerichtet auf die Auslöser der Tumorerkrankung wirken, im Vordergrund. Hierfür wird nicht nur die generelle Lage des Tumors im Körper in Erwägung gezogen, sondern auch die Eigenschaften des betroffenen Patienten und die Eigenheiten der Erkrankung.

Die Präzisionsonkologie betrachtet jede Erkrankung unter patientenindividuellen Gesichtspunkten und versucht, die charakteristischen Eigenschaften einer Tumorerkrankung auszunutzen. Im Grunde wird also nicht beispielsweise der Lungenkrebs behandelt, sondern der spezifische Patient mit einer individuellen Form des Lungenkrebses.
Häufig konzentriert sich die Präzisionsonkologie auf die Identifikation von Veränderungen in der Erbinformation des Tumors, die Hinweis auf die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Medikamenten geben können. 

Welche Fachrichtungen arbeiten in der Präzisionsonkologie zusammen?

Die Präzisionsonkologie zeigt die Notwendigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit auf, da sie in Ihrer Vielschichtigkeit nicht mehr alleine zu bewältigen ist.  Durch optimale Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen versucht die Präzisionsonkologie auf den Patienten abgestimmte Behandlungsmöglichkeiten zu schaffen.

Erst durch die Zusammenarbeit vieler Fachdisziplinen kann der für den Patienten optimale diagnostische und therapeutische Weg identifiziert werden. Das Wissen, das benötigt wird, um jedem Patienten individuelle Therapieoptionen anzubieten, kann heute nicht von einem einzelnen Experten aufgebracht werden, sodass die Präzisionsonkologie als Paradebeispiel für die moderne interdisziplinäre Onkologie steht. 

Zu diesen Fachrichtungen zählen unter anderem:

  • Onkologisch tätige Ärzte aus allen Fachdisziplinen
  • Pathologen
  • Bioinformatiker
  • Medizininformatiker
  • Radiologen
  • Humangenetiker

Was ist der Unterschied zur Standardtherapie?

Generell kommen in der Behandlung von Tumorerkrankungen viele verschiedene Behandlungen (Medikamente, Operationen, Strahlentherapie etc.) zum Einsatz. In der modernen Medizin beruhen Standardverfahren zumeist auf dem Wissen aus (großen) klinischen Studien und sind in vielen Patienten gut erprobt und verstanden.
Die Präzisionsonkologie konzentriert sich häufig auf die speziellen Eigenschaften der individuellen Erkrankung, wie zum Beispiel spezifische genetische Veränderungen. Während diese Individualisierung in einigen Erkrankungen (Lungenkrebs, Brustkrebs, Gallenwegstumore) bereits zum Standard gehört, ist ihr Einsatz bei anderen Krankheitsbildern noch relativ neu.

Im Rahmen der Präzisionsonkologie wird unter anderem eine erweiterte molekulare Diagnostik durchgeführt, die dem besseren Verständnis der individuellen Erkrankung dienen soll und gegebenenfalls weitere Therapieoptionen, wie z.B. die zielgerichtete Therapie, für den Patienten ermöglicht.

Wichtig zu wissen: In den kommenden Jahren wird eine erhebliche Zunahme neuer Medikamente erwartet, die zielgerichtet auf die Auslöser der Tumorerkrankung wirken. Somit wird auch die Präzisionsonkologie zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Wie häufig kommt die Präzisionstherapie bisher zum Einsatz?

Präzisionsonkologische Ansätze kommen bereits heute regelmäßig bei Brustkrebs oder Lungenkrebs zum Einsatz. Über alle Tumorerkrankungen hinweg wird das Zusammenspiel aus erweiterter molekularer Diagnostik noch nicht einheitlich umgesetzt.

Erhält man bei jedem Onkologen eine Präzisionsonkologie?

Präzisionsonkologie versteht sich als interdisziplinäres Zusammenspiel verschiedener diagnostischer und therapeutischer Bereiche. Grundsätzlich kann eine erweiterte molekulare Diagnostik aus Tumorgewebe durch jeden Onkologen in Auftrag gegeben werden. Die therapeutische Einordnung der resultierenden Befunde, insbesondere, wenn diese über die Standarddiagnostik hinausgehen, bedarf in der Regel einer Expertenmeinung, die aktuell noch spezialisierten Zentren vorbehalten ist.

Wie gestaltet sich der Ablauf?

Nach der Anmeldung in einem präzisionsonkologischen Programm wird die erweiterte molekulare Untersuchung des Tumorgewebes durchgeführt. Die in spezialisierten Laboren durchgeführte molekulare Diagnostik zielt darauf ab, genetische Veränderungen im Tumorgewebe nachzuweisen, die zur zielgerichteten Therapie genutzt werden können.

Darauf aufbauend erfolgt die Diskussion des individuellen Falls in fachübergreifenden molekularen Tumorboards. Dabei wird das Wissen verschiedener Fachrichtungen genutzt, um die gewonnenen Untersuchungsergebnisse in das Gesamtbild der Erkrankungssituation zu integrieren und mögliche neue, maßgeschneiderte Behandlungsoptionen aufzuzeigen. Die identifizierten Veränderungen des Tumors werden auf ihre Relevanz bei der Entstehung und Behandlung der individuellen Krebserkrankung begutachtet und in wissenschaftlichen Datenbanken und Literatur recherchiert.

Anschließend wird der Empfehlungsbeschluss an den anmeldenden Arzt versandt und mit dem Patienten besprochen, sodass ein individueller Therapieplan, gegebenenfalls im Rahmen von klinischen Studien, erstellt werden kann. Sobald die Tumorprobe im Labor eingetroffen ist, kann die Durchführung der umfassenden molekularen Diagnostik und deren Diskussion in einem Expertengremium etwa vier Wochen Zeit in Anspruch nehmen.

Wie ist der aktuelle Stand der Forschung?

Die Präzisionsonkologie ist Gegenstand intensiver Forschungsaktivitäten. Dabei geht es zum einen um das immer bessere Verständnis um die Grundlagen bösartiger Erkrankungen. Hierbei liegt der Fokus zunehmend darauf, dieses bessere Verständnis möglichst schnell therapeutisch nutzbar zu machen.

In vielen Kliniken in Deutschland werden Programme zur Präzisionsonkologie durchgeführt oder geschaffen. Ein zentraler Aspekt in der Gemeinschaft der Präzisionsonkologie ist jedoch auch die Vernetzung. Durch die immer genauere Betrachtung von Patienten und deren Erkrankungen werden Patientengruppen mit ähnlichen Erkrankungsdetails immer kleiner. Somit wird es an einzelnen Standorten immer schwieriger, Vergleichsfälle zu Rate zu ziehen. Durch Kooperationsprojekte soll diesem Bedarf nachgegangen werden:

  • In Deutschland wurde 2021 das Deutsche Netzwerk für Personalisierte Medizin (DNPM) gegründet. In diesem Konsortium vernetzen sich 20 Spitzenzentren aus neun Bundesländern, um die Prozesse der Präzisionsonkologie aufeinander abzustimmen. Somit soll Patienten und Patientinnen in ganz Deutschland der Zugang zu qualitätsgesicherter, personalisierter Medizin vereinfacht werden.

  • Um Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs Zugang zu molekularer Diagnostik und innovativen Therapien zu ermöglichen, wurde das bundesweite Netzwerk "Nationales Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) Lungenkrebs" gegründet. Das Netzwerk umfasst 20 Krebszentren. Ausgehend von diesen Zentren werden regionale Netzwerke aufgebaut, die möglichst umfassend Kliniken und Praxen zusammenführen, in denen Patienten und Patientinnen mit Lungenkrebs bestmöglich versorgt werden.

  • Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) wurde 2012 gegründet. Im DKTK verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) als Kernforschungszentrum mit acht in der Krebsforschung und -therapie führenden universitären Standorten (Berlin, Dresden, Essen/Düsseldorf, Frankfurt/Mainz, Freiburg, Heidelberg, München und Tübingen). Das Konsortium soll dazu beitragen, aktuelle Forschungsergebnisse noch schneller in die Patientenversorgung zu übertragen und die besten Voraussetzungen für kliniknahe Forschung bieten. Durch die enge Zusammenarbeit der DKTK-Standorte können ortsübergreifend große klinische Studien realisiert werden.

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Zuletzt geändert am: 21.06.2023
Autor: Expertengremium Präzisionsonkologie

Hauptautoren: 

Dr. med. Benedikt Westphalen
Leitung Präzisionsonkologie & Molekulares Tumorboard am Comprehensive Cancer Center München - LMU

Dr. med. Sebastian Lange
Facharzt für Innere Medizin; Ärztlicher Leiter der Einheit für Präzisionsonkologie am Comprehensive Cancer Center München - TUM

Katrin Glocker
Zentrumsmanagement DNPM am CCC München

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