Gäbe es die Ausscheidung nicht, würden die Wirkstoffe unbegrenzt im Körper verbleiben und ihre Wirkungen und unerwünschten Wirkungen nach einer Dosis dauerhaft ausüben.
Bevor die Ausscheidung allerdings erfolgen kann, werden viele Arzneimittel in der Niere oder Leber chemisch durch körpereigene Strukturen so verändert, dass die Arzneistoffe inaktiviert (also keine Wirkung mehr ausüben) und ausgeschieden werden können. Bei dieser sogenannten Biotransformation können aber auch Produkte entstehen, die ausscheidungsfähig sind, aber noch eine Aktivität haben. Die Umwandlung der Arzneimittel erfolgt sehr häufig über körpereigene Eiweiße (sogenannte Enzyme). Da viele Arzneimittel um die gleichen Enzyme konkurrieren treten in diesem Bereich sehr häufig Wechselwirkungen auf. Arzneimittel können diese Enzyme hemmen oder fördern, so dass Arzneimittel schneller oder langsamer abgebaut werden. Drei Beispiele sollen dies verdeutlichen:
- Fentanyl-Pflaster (zur Schmerztherapie) und Johanniskraut (zur Depressionsbehandlung). Johanniskraut beschleunigt den Abbau von Fentanyl, wodurch eine geringere Schmerzhemmung des Fentanyl erfolgt.
- Clarithromycin ( Antibiotikum) und Amlodipin (Blutdrucksenker) können sich gegenseitig beeinflussen, so dass es zu einer verstärkten Blutdrucksenkung und/oder zu Herzrhythmusstörungen kommen kann.
- Grapefruit-Saft oder Grapefruit Frucht in Kombination mit oralen Krebsmitteln kann die Blutspiegel des Krebsmittels deutlich erhöhen, so dass es zu vermehrten Nebenwirkungen kommen kann. Daher ist in einem solchen Fall die Dosis des Krebsmittels zu reduzieren. Besser: Auf den Verzehr von Grapefruit verzichten.
Pharmakodynamische Wechselwirkungen
Hierunter versteht man Wechselwirkungen, z.B. von Arzneimitteln am gleichen Organ. Beispiele sind:
- Salbutamol zur Asthmatherapie und Betablocker (zur Blutdrucksenkung). Beide Arzneimittel konkurrieren mehr oder weniger an der gleichen Stelle des Körpers und führen zu einer Verschlechterung der Wirksamkeit (schlechtere Asthmakontrolle).
- Morphium und Diazepam. Die Gabe beider Medikamente führt zu einer deutlichen Verschlechterung der Lungenfunktion.
Weitere pharmakodynamische Wechselwirkungen sind z.B.
- Capecitabin zur Krebstherapie in Kombination mit Folsäure. Es kommt zu einer Verstärkung der Wirkung von Capecitabin mit erhöhten Nebenwirkungen, wie Hand-Fuß-Syndrom und Magen-Darm-Beschwerden.
- Wechselwirkungen zwischen oralen Krebsmedikamenten und Arzneimitteln zur Therapie von Depressionen in Form von gesteigerten Herzrhythmusstörungen.
- Blutzuckersenkungen durch orale Krebsmedikamente
- Diclofenac, Ibuprofen bzw. Arzneimittel aus dieser Arzneimittelgruppe in Kombination mit Blutdrucksenker wie Ramipril können den blutdrucksenkenden Effekt des Ramipril hemmen und zu einem hohen Kaliumspiegel im Blut führen.
- Immunsuppression durch Chemotherapeutika, Immuntherapeutika und dergleichen können die Wirkung von Impfstoffen abschwächen bzw. bei bestimmten Impfstoffen (Lebendimpfstoffen) eine Impf-Erkrankung auslösen.
Wechselwirkungen zwischen Arznei- und Lebensmittel
Eine Vielzahl derartiger Wechselwirkungen sind bekannt und können zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen:
- Alkohol: Alkohol führt zu einem verlangsamten Abbau von Arzneimitteln, mit dem Resultat, dass das Arzneimittel länger wirkt.
- Milchprodukte: Das Calcium in den Milchprodukten bindet den Arzneistoff, so dass dieser nicht zur Wirkung kommt.
- Kaffee: In Kombination mit bestimmten Antibiotika kann es zu einem verminderten Abbau des Koffeins kommen. Resultat: Herzrasen, Blutdrucksteigerung.
- Grapefruit und Grapefruit – Saft: Diese Frucht kann den Abbau von Arzneistoffen hemmen, so dass es zu einer stärkeren Wirkung bzw. Nebenwirkung kommt.
- Blutdrucksenker und Lakritz können bei gleichzeitiger Einnahme zu einer vermehrten Ausschwemmung von Kalium führen und damit zu einer erhöhten Blutdrucksenkung sowie einem Mangel an Kalium.
- Salat: Blockiert man Vitamin K wird das Blut verdünnt. Medikamente, die so die Blutgerinnung reduzieren, heißen Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Phenprocoumon). Sie werden eingesetzt, um das Risiko eines Blutgerinnsels zu mindern und z. B. einem Schlaganfall vorzubeugen. Vitamin-K-reiche Lebensmittel, wie Salat, Spinat, Grünkohl oder Rosenkohl, setzen die Wirkung dieser Arzneimittel herab. Sie sollten daher nur in Maßen verzehrt werden.
Was sind die häufigsten Wechselwirkungen?
Die häufigsten Wechselwirkungen sind nach Aussagen der Apothekerkammer Niedersachsen die Wechselwirkungen zwischen Arznei- und Lebensmittel. Im klinischen Alltag folgen dann Interaktionen zwischen:
- Arzneimittel zur Blutdrucksenkung und Schmerzmitteln
- Arzneimittel zur Blutdrucksenkung und Gichtmitteln
- Arzneimitteln zur Blutverdünnung und Schmerzmitteln
- Arzneimittel zur Blutverdünnung und solchen, die zur Therapie der Depressionen eingesetzt werden.
- Kombinationen aus Arzneimitteln der Psychiatrie
- Elektrolyte, wie Calcium, Eisen, Magnesium etc und Schilddrüsenhormone, Antibiotika
Im Bereich der Onkologie sind häufige Interaktionen:
- Capecitabin und Folsäure (da Patienten letzteres häufig auch selber kaufen)
- Orale Krebstherapeutika und Säurehemmer
Da viele onkologische Patienten eine Vielzahl weiterer Arzneimittel zur Supportivtherapie erhalten bzw. sonstige Erkrankungen aus dem internistischen Bereich behandelt werden, ergeben sich diverse Gefahren für Wechselwirkungen. Ein besonderes Augenmerk gilt den Arzneimitteln, die über bestimmte Enzyme des Körpers abgebaut werden.
Was kann man bei Wechselwirkungen tun?
Zunächst muss man sich fragen, ob die Wechselwirkung überhaupt klinisch relevant ist. In Fachkreisen werden die Wechselwirkungen graduiert bewertet, so dass man nicht immer einen Therapiewechsel vollziehen muss, sondern in Kenntnis der Wechselwirkungen den Patienten beobachten kann. Zur Überwachung werden u.a. auch labordiagnostische Verfahren, z.B. Blutanalysen eingesetzt oder EKGs geschrieben. Blutspiegelkontrollen der Wirkstoffe werden ebenfalls zunehmend eingesetzt.
Wechselwirkungen aufgrund von Lebensmitteln lassen sich häufig dadurch lösen, dass man zwischen Einnahme des Arzneimittels und dem Lebensmittel einen mindestens 2-stündigen Abstand einhält. Ausnahme Grapefruit. Hier reicht dies nicht. Grapefruit sollte grundsätzlich gemieden werden.
- Dosisanpassung der/des Arzneimittel(s)
- Austausch eines der Arzneimittel
Wie gefährlich sind Wechselwirkungen?
Die Masse der Wechselwirkungen sind durch Beratung und ggf. Wechsel des Kombinationspartners oder auch durch das Weglassen von Arzneimitteln (ggf. zeitweise) zu managen. Wechselwirkungen können sich erstrecken von Wirkungslosigkeit einer Therapie (wie im Falle von Calcium und bestimmten Antibiotika) über nicht ausreichenden Therapieeffekt (z.B. bei der gleichzeitigen Gabe von bestimmten Blutdrucksenkern und Schmerzmitteln) bis hin zu schwerwiegenden Nebenwirkungen und Tod. Das nachfolgende beschriebene Beispiel in einer Apotheke ist eine solch dramatische Wechselwirkung. Brivudin hemmt den Abbau des Capecitabins (bzw. der aktiven Form von Capecitabin), wodurch dieser Wirkstoff sich anreichert und zum Tode führen kann. Daher ist es umso wichtiger, dass Arzt, Apotheker und Patient eng zusammenarbeiten.
Ein Beispiel - Wie wichtig ist ein Wechselwirkungscheck
Eine Patientin kommt in eine Apotheke und legt ein Rezept vom Hautarzt vor. Aufgrund einer Gürtelrose wurde ihr ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Brivudin verschrieben. Da die Patientin eine Stammkundin ist, liegen Informationen zu ihren sonstigen Medikamenten in der Apotheke vor. Der Apotheker befragt die Patientin unter Zuhilfenahme des Kundendossiers, welche Medikamente sie noch zusätzlich einnimmt. Für ihre Krebserkrankung erhält die Patientin noch Capecitabin. Daraufhin verweigert der Apotheker die Abgabe des Arzneimittels gegen die Gürtelrose und nimmt Kontakt mit dem Hautarzt auf. Das Arzneimittel wird geändert. Was war passiert? Das Arzneimittel gegen die Gürtelrose verursacht eine lebensbedrohliche Wechselwirkung mit dem Krebsmedikament. Wie gut, dass die Patientin eine Vertrauensapotheke hat.